Muss jede Freizeitstute ein Fohlen bekommen? Oder sollte man die Pferdezucht besser erfahrenen Züchtern überlassen?
„Meine Stute ist eine Nette, da fehlt nur noch ein guter Hengst und „win“ - ein tolles Fohlen ist sicher“, so scheint die Prämisse vieler Pferdebesitzer zu sein. Grundsätzlich ist die Hobbyzucht nicht verwerflich, doch leider auch nicht ganz so einfach wie gedacht. „Auf gut Glück decken lassen“ birgt meistens ungeahnte Risiken und Nebenwirkungen - sich im Vorfeld ein paar grundlegenden Dingen bewusst zu werden ist daher das A und O:
Das Problem kann schon bei der Befruchtung beginnen. Ein muskulöser, kräftiger Champion mag ein toller Deckhengst sein - aber auch nur für eine kräftige Stute. Zart gebaute Vierbeinerinnen brächen beim Akt unter einem solchen Muskelpaket wohlmöglich zusammen und könnten auch das daraus entstehende Fohlen kaum austragen oder gar gebären. Achten Sie daher nicht nur auf das Exterieur Ihres Hengstes, sondern schauen Sie sich auch den Körperbau Ihrer Stute einmal genauer an. Pferde die noch nicht ausgewachsen sind (was bei den meisten Pferden erst mit einem Alter von 3 Jahren der Fall ist), eine schwache Muskulatur haben oder durch chronische Krankheiten bzw. Infektionen geschwächt sind, stellen keine geeigneten Zuchtstuten dar.
Eine frühzeitige Planung und vor allem ein geschulter Blick vom Pferde-Tierarzt des Vertrauens helfen bei der richtigen Einschätzung.
Ist die Hürde der Befruchtung überwunden, „schwimmt“ der Embryo rund 11 Monate lang im Erbgut seiner Mutter. Stellt man sich diesen Umstand bildlich vor, dürfte schnell klar werden, warum erfahrene Züchter der Stute mittlerweile mehr Einfluss auf die Genetik des Nachwuchses nachsagen als dem Hengst. Horst Müller vom Gestüt Drei Linden - ein erfahrener Quarter Horse Züchter - schreibt Stuten gar 60 % Einfluss auf In- und Exterieur des Fohlens zu, während Hengste nur 40 % Einfluss auf das Erbgut haben sollen. Das Fohlen wird somit kein reines Abbild des Vaters, wie man jahrelang glaubte, sondern vereint Wesen und Körperbau beider Elternteile in sich.
Haben Sie es soweit geschafft, dass ein gesunder Nachwuchs das Licht der Welt erblickt hat, sollte man nun meinen: Ende gut, alles gut. Aber auch hier lauern Fallstricke, denn nicht nur der Mensch erzieht das Fohlen.
Die Stute selbst bestimmt die Wesenszüge ihres Schützlings ganz entscheidend. So wird das Fohlen ein Spiegelbild seiner Mutter sein - haben Sie also eine sehr ängstliche Stute, wird auch das Fohlen höchstwahrscheinlich zu einem ängstlichen Tier heranwachsen. Ist das Pferd die Leitstute in der Herde, wird auch das Fohlen irgendwann diesen Thron besteigen und Dominanz zeigen wollen, ist das Muttertier jedoch irgendwo am Ende der Hierarchie, steht auch dem Nachkommen nicht selten ein solches „Schicksal“ bevor.
Dies sind nur einige zentrale Punkte einer langen Liste von Dingen, die passieren können, wenn Stutenbesitzer es zu gut mit ihrem geliebten Vierbeiner meinen und unbedingt Nachwuchs produzieren wollen! Das Rezept zum Erfolg ist jedoch längst kein Hexenwerk: Wer sich von dem Traumbild löst, dass es für die geliebte Freizeitstute nichts Schöneres geben kann, als ein Fohlen zu gebären, ist auf dem richtigen Weg!
Nehmen Sie sich Zeit für eine umfassende Planung und checken Sie Ihren Liebling auf Herz und Nieren:
- Ist die Stute vollkommen gesund?
- Ist sie körperlich in der Lage ein Fohlen auszutragen?
- Ist sie jünger als 16 Jahre?
- Hat Ihre Stute die Eigenschaften, die Sie sich auch für Ihr Fohlen wünschen?
- Bin ich selbst überhaupt finanziell in der Lage, um züchten zu können?
- Kommt das Fohlen in gute Hände und wird pferdegerecht behandelt und ausgebildet?
Erst wenn die äußeren Umstände ausnahmslos stimmen, ist Ihr Pferd für den Decksprung bereit.
Text: Copyright Leonie Herzfeldt / tierspiegel.de
Fotos: Copyright Regina Kaute - www.pixelio.de